Auszug aus dem JGG

Erster Teil: Anwendungsbereich:
§ 1 [Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich]
  1. Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist.
  2. Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.
§ 2 [Anwendung des allgemeinen Rechts]
  • Die allgemeinen Vorschriften gelten nur, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
Zweiter Teil: Jugendliche
Erstes Hauptstück:
Verfehlungen Jugendlicher und ihre Folgen
Erster Abschnitt: Allgemeine Vorschriften:
§ 3 [Verantwortlichkeit]
  • Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Zur Erziehung eines Jugendlichen, der mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist, kann der Richter dieselben Maßnahmen anordnen wie der Familien- oder Vormundschaftsrichter.
§ 4 [Rechtliche Einordnung der Taten Jugendlicher]
  • Ob die rechtswidrige Tat eines Jugendlichen als Verbrechen oder Vergehen anzusehen ist und wann sie verjährt, richtet sich nach den Vorschriften des allgemeinen Strafrechts.
§ 5 [Die Folgen der Jugendstraftat]
  1. Aus Anlass der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.
  2. Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.
  3. Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.
§ 6 [Nebenfolgen]
  1. Auf Unfähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen oder in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, darf nicht erkannt werden. Die Bekanntgabe der Verurteilung darf nicht angeordnet werden.
  2. Der Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (§45 Abs.1 des Strafgesetzbuches), tritt nicht ein.
§ 7 [Maßregeln der Besserung und Sicherung]
  • Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).
§ 8 [Verbindung von Maßnahmen und Jugendstrafe]
  1. Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel, ebenso mehrere Erziehungsmaßregeln oder mehrere Zuchtmittel können nebeneinander angeordnet werden. Mit der Anordnung von Hilfe zur Erziehung nach §12 Nr.2 darf Jugendarrest nicht verbunden werden.
  2. Der Richter kann neben Jugendstrafe nur Weisungen und Auflagen erteilen und die Erziehungsbeistandschaft anordnen. Steht der Jugendliche unter Bewährungsaufsicht, so ruht eine gleichzeitig bestehende Erziehungsbeistandschaft bis zum Ablauf der Bewährungszeit.
  3. Der Richter kann neben Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln und Jugendstrafe auf die nach diesem Gesetz zulässigen Nebenstrafen und Nebenfolgen erkennen.

Zweiter Abschnitt: Erziehungsmaßregeln:

§ 9 [Arten]
  • Erziehungsmaßregeln sind die Erteilung von Weisungen, die Anordnung, Hilfe zur Erziehung im Sinne des §12 in Anspruch zu nehmen.
§ 10 [Weisungen]
  1. Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung födern und sichern sollen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Der Richter kann dem Jugendlichen insbesondere auferlegen, Weisungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthaltsort beziehen, bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen, eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen, Arbeitsleistungen zu erbringen, sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person (Betreuungshelfer) zu unterstellen, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen, sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast oder Vergnügungsstätten zu unterlassen oder an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen.
  2. Der Richter kann dem Jugendlichen auch mit Zustimmung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters auferlegen, sich einer heil erzieherischen Behandlung durch einen Sachverständigen oder einer Entziehungskur zu unterziehen. Hat der Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr vollendet, so soll dies nur mit seinem Einverständnis geschehen.
§ 11 [Laufzeit und nachträgliche Änderung von Weisungen]
Folgen der Zuwiderhandlung
  1. Der Richter bestimmt die Laufzeit der Weisungen. Die Laufzeit darf zwei Jahre nicht überschreiten; sie soll aber bei einer Weisung nach §10 Abs.1 Satz 3 Nr.5 nicht mehr als ein Jahr, bei einer Weisung nach §10 Abs.1 Satz 3 Nr.6 nicht mehr als sechs Monate betragen.
  2. Der Richter kann Weisungen ändern, von ihnen befreien oder ihre Laufzeit vor Ablauf bis auf drei Jahre verlängern, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist.
  3. Kommt der Jugendliche Weisungen schuldhaft nicht nach, so kann Jugendarrest verhängt werden, wenn eine Belehrung über die Folgen schuldhafter Zuwiderhandlung erfolgt war. Hiernach verhängter Jugendarrest darf bei einer Verurteilung insgesamt die Dauer von vier Wochen nicht überschreiten. Der Richter sieht von der Vollstreckung des Jugendarrestes ab, wenn der Jugendliche nach Verhängung des Arrestes der Weisung nachkommt.
§ 12 [Hilfe zur Erziehung]
  • Der Richter kann dem Jugendlichen nach Anhörung des Jugendamts auch auferlegen, unter den im Achten Buch Sozialgesetzbuch genannten Voraussetzungen Hilfe zur Erziehung in Form der Erziehungsbeistandschaft im Sinne des §30 des Achten Buches Sozialgesetzbuch oder in einer Einrichtung über Tag und Nacht oder in einer sonstigen betreuten Wohnform im Sinne des §34 des Achten Buches Sozialgesetzbuch in Anspruch zu nehmen.

Dritter Abschnitt: Zuchtmittel

§ 13 [Arten und Anwendung]
  1. Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchtmitteln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat.
  2. Zuchtmittel sind die Verwarnung, die Erteilung von Auflagen, der Jugendarrest.
  3. Zuchtmittel haben nicht die Rechtswirkungen einer Strafe.
§ 14 [Verwarnung]
  • Durch die Verwarnung soll dem Jugendlichen das Unrecht der Tat eindringlich vorgehalten werden.
§ 15 [Auflagen]
  1. Der Richter kann dem Jugendlichen auferlegen, nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wieder gut zumachen, sich persönlich bei dem Verletzten zu entschuldigen, Arbeitsleistungen zu erbringen oder einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen. Dabei dürfen an den Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.
  2. Der Richter soll die Zahlung eines Geldbetrages nur anordnen, wenn der Jugendliche eine leichte Verfehlung begangen hat und an zunehmen ist, dass er den Geldbetrag aus Mitteln zahlt, über die er selbständig verfügen darf, oder dem Jugendlichen der Gewinn, den er aus der Tat erlangt, oder das Entgelt, das er für sie erhalten hat, entzogen werden soll.
  3. Der Richter kann nachträglich Auflagen ändern oder von ihrer Erfüllung ganz oder zum Teil befreien, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. Bei schuldhafter Nichterfüllung von Auflagen gilt §11 Abs.3 entsprechend. Ist Jugendarrest vollstreckt worden, so kann der Richter die Auflagen ganz oder zum Teil für erledigt erklären.
§ 16 [Jugendarrest]
  1. Der Jugendarrest ist Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest.
  2. Der Freizeitarrest wird für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt und auf eine oder zwei Freizeiten bemessen.
  3. Der Kurzarrest wird statt des Freizeitarrestes verhängt, wenn der zusammenhängende Vollzug aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und weder die Ausbildung noch die Arbeit des Jugendlichen beeinträchtigt werden. Dabei stehen zwei Tage Kurzarrest einer Freizeit gleich.
  4. Der Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. Er wird nach vollen Tagen oder Wochen bemessen.

Drittes Hauptstück:

Vollstreckung und Vollzug
Zweiter Unterabschnitt – Jugendarrest
§ 86 [Umwandlung des Freizeitarrestes]
  1. Der Vollstreckungsleiter kann Freizeitarrest in Kurzarrest umwandeln, wenn die Voraussetzungen des § 16 Abs.3 nachträglich eingetreten sind.
§ 87 [Vollstreckung des Jugendarrestes]
  1. Die Vollstreckung des Jugendarrestes wird nicht zur Bewährung ausgesetzt.
  2. Für die Anrechnung von Untersuchungshaft auf Jugendarrest gilt § 450 der Strafprozessordnung sinngemäß.
  3. Der Vollstreckungsleiter sieht von der Vollstreckung des Jugendarrestes ganz oder, ist Jugendarrest teilweise verbüßt, von der Vollstreckung des Restes ab, wenn seit Erlass des Urteils Umstände hervorgetreten sind, die allein oder in Verbindung mit den bereits bekannten Umständen ein Absehen von der Vollstreckung aus Gründen der Erziehung rechtfertigen. Sind seit Eintritt der Rechtskraft sechs Monate verstrichen, sieht er von der Vollstreckung ganz ab, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. Von der Vollstreckung des Jugendarrestes kann er ganz absehen, wenn zu erwarten ist, dass der Jugendarrest neben einer Strafe, die gegen den Verurteilten wegen einer anderen Tat verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, seinen erzieherischen Zweck nicht mehr erfüllen wird. Vor der Entscheidung hört der Vollstreckungsleiter nach Möglichkeit den erkennenden Richter, den Staatsanwalt und den Vertreter der Jugendgerichtshilfe.
  4. Die Vollstreckung des Jugendarrestes ist unzulässig, wenn seit Eintritt der Rechtskraft ein Jahr verstrichen ist.

Zweiter Abschnitt:

Vollzug

§ 90 [Jugendarrest]
  1. Der Vollzug des Jugendarrestes soll das Ehrgefühl des Jugendlichen wecken und ihm eindringlich zum Bewußtsein bringen, daß er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. Der Vollzug des Jugendarrestes soll erzieherisch gestaltet werden. Er soll dem Jugendlichen helfen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zur Begehung der Straftat beigetragen haben.
  2. Der Jugendarrest wird in Jugendarrestanstalten oder Freizeitarresträumen der Landesjustizverwaltung vollzogen. Vollzugsleiter ist der Jugendrichter am Ort des Vollzugs.